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16.8. Montag -18.8.2004 Mittwoch

Das erste Mal an Bord die Haare gewaschen. Eigentlich wollte ich mir ja eine Solardusche kaufen, eine Art mit Wasser gefüllter Beutel aus schwarzem Kunststoff, aber von Manni hatte ich gelernt, dass es auch billiger ging.

Er nahm einfach einen 5-Liter Wasserkanister – in türkischen Läden handelsüblich, die verkaufen in der Regel alles in Packungen die für eine Großfamilie ausreichen, sogar Petersilie haben sie im Kilo abgepackt – füllte ihn mit Wasser der Marke „Dahme Naturtrüb“ und stellte ihn eine Stunde in die Sonne. Dann war das Wasser schön warm und man konnte sich luxuriös die Haare waschen. Genauso machte ich das auch, obwohl es aus Umweltschutzgründen bestimmt streng verboten war. Ich nahm mir vor, Ausschau nach einem Shampoo zu halten, das für die Umwelt nicht schädlich war, aber irgendwie kam ich nie dazu.

Gegenüber vom Liegeplatz war eine Gelbe Welle, bei der ich meinen Müll entsorgen und frisches Trinkwasser besorgen wollte. Ich schwang mich auf das Fahrrad, fuhr die 300 Meter über die Schmöckwitzer Brücke zum anderen Ufer und fand jemanden, der zuständig aussah.

„Müll? Wasser?“ meinte er. „Ja, das geht bestimmt. Aber umsonst ist der Tod.“

Besonders freundlich war er nicht zu mir, der etwa 30-jährige junge Mann, obwohl ich frisch gewaschene Haare hatte.

„Kann ich mir das leisten?“ fragte ich vorsichtig.

„Da müssen Sie den Chef fragen. So ein älterer Herr mit schütteren Haaren im Verkaufsraum da vorne. Aber warum geben Sie Ihren Müll nicht einfach in die öffentlichen Mülltonnen?“

Ich wollte nicht mit ihm diskutieren, warum ich keine Lust hatte, meinen 120-Liter Müllsack auf die umliegenden städtischen Mülleimer zu verteilen und machte mich auf die Suche nach dem Chef. Vom Tonfall her war er auch nicht viel freundlicher, aber das ist typisch für echte Berliner.

„Was wollen Sie?“

Aber er war erstaunlich komplikationslos, nachdem ich ihm mein Anliegen erklärt hatte.

„Macht zwei Euro. Können Sie hier anlegen?“

„Ich brings einfach mit dem Fahrrad rüber.“

“Auch gut. Da ist die Mülltonne und da hinten der Wasserhahn. Die zwei Euro legen Sie einfach auf die Theke, falls ich nicht da bin.“

So wurde ich meinen Müll los.

72 Stunden lag ich insgesamt hier an diesem 24-Stunden-Platz, aber niemand hat sich darüber aufgeregt. Es ist in der ganzen Zeit auch keine Wasserschutzpolizei vorbeigekommen, wahrscheinlich ist das hier Niemandsland zwischen Berlin und Brandenburg.

Eigentlich ein sehr guter Liegeplatz, man hat fast alles was man braucht: Mehrere Werften, mehrere Restaurants von gut bürgerlich bis chinesisch und 300 Meter schräg gegenüber gibt es einen kleinen Sandstrand zum Baden. Der war allerdings hauptsächlich von laut brüllenden Jugendlichen frequentiert und nicht sehr romantisch. Berliner Jugendliche sind auch notorische Nicht-Nackt-Bader und so richtig wohl fühlte ich mich dort nicht.

Es gibt viele Läden, die man aber beim Bootsurlaub kaum benötigt: Kücheneinrichtungen, Versicherungsmakler, Friseur, Fußpflege.   
Was man gebrauchen könnte,  findet man hier allerdings nicht: Einen Bäcker, einen Fleischer, einen Tabakladen. Die kleinen Läden haben in Schmöckwitz alle aufgegeben, alles konzentriert sich im Supermarkt "Extra" in der örtlichen Hauptstraße mit dem seltsamen Namen "Adlergestell" - leider einen guten Kilometer vom Liegeplatz entfernt.

Am Platz gibt es nur geringen Wellenschlag, da er in einer geschwindigkeitsberuhigten Zone liegt. Natürlich gibt es ab und zu ein paar Rowdies, die vor allem Nachts nicht daran denken, etwas langsamer zu fahren.

Ein eher unromantischer Aspekt ist, dass jeder fünfte Baum in der Gegend mit einem Anti-Schönefeld-Protestposter beklebt ist. 2007 soll ja der Flughafen Tegel geschlossen und der ganze Berliner Flugzeuglärm in die hiesige Einflugschneise verlegt werden. Aber wie man Berlin kennt, wird da wohl sowieso nichts draus. Seit Jahren soll schon der Flughafen Tempelhof geschlossen werden, aber bis jetzt wird munter weitergeflogen.

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Der Liegeplatz an der
Schmöckwitzer Brücke

 

Der Schmöckwitzer Badestrand
 

Hinter der Engstelle beginnt der
Zeuthener See