20.6. Sonntag
Es war schönes
Wetter, aber immer noch sehr windig. Viele Sonntagsspaziergänger
waren unterwegs und freuten sich über das Boot. Es wurde Zeit für
die erste Probefahrt und lehrbuchmäßig wollte ich mich im
Rückwärtsgang mit dem Heck vom Ufer wegziehen, aber es klappte nicht
so recht.
Der Motor lag immer noch zu hoch und schlug mehr Schaum
als er das Boot schob. Mit viel Geduld wurde es dann doch noch etwas,
ich fuhr 20 Meter in den See hinaus und bekam Angst, Was wenn das
Boot jetzt undicht werden und untergehen würde? Zwanzig Meter konnte
ich zwar schwimmen, aber das Wasser war doch reichlich kalt. Das
Rettungsschlauchboot lag gut verpackt in der Spitze verstaut, nicht
unbedingt ein guter Platz, wenn man es im Notfall dringend bräuchte.
Ich machte mir klar, dass das Boot jetzt seit vielen Tagen im Wasser
lag und keine Spuren von Undichtigkeit zeigte. Warum sollte es also
plötzlich leck werden, bloß weil es zwanzig Meter vom Ufer entfernt
war?
So besiegte ich meine Panik und begann, vorsichtig einige
Kreise zu ziehen. Träge war es, wie ich das schon von der Fahrschule
her kannte. Du drehst am Lenker und erstmal passiert gar nichts.
Nach einigen Sekunden kommt die Reaktion. Wenn man inzwischen
mangels Geduld schon wieder rumgekurbelt hat, landet man bald in
einer Richtung, in die man nicht wollte. Gegenlenken hilft zwar,
aber eben auch erst mit ein paar Sekunden Verzögerung. Aber bald
hatte ich das Fahrverhalten im Griff und traute mich aus der
geschützten Bucht auf den See hinaus. Dort wollte ich die
Windempfindlichkeit testen.
„Das wirft der
Wind doch sofort um“, war ein häufiger Kommentar von selbsternannten
Fachleuten, als sie meine schwimmende Pförtnerloge sahen. Die
Realität sah zum Glück anders aus, der durchaus kräftige Wind dachte
nicht daran, das Boot umzuwerfen. Er schob es in seine Richtung und
man musste etwas gegenlenken um auszugleichen, das war aber auch
schon alles. Seitenwindempfindlichkeit, wie man es vom Autofahren
her auch kennt. Nichts Tragisches, von wegen umfallen.
Wahrscheinlich hätte ich mir die Aktion mit dem tiefer legen der
Decke sparen können. Die Angst verschwand zusehends und ich bekam
Spaß am Rumfahren. Gemütlich tuckerte ich am Paul-und-Paula-Ufer
entlang und überholte sogar den einen oder anderen Spaziergänger. So
um die drei Stundenkilometer dürften es schon gewesen sein. Ich
experimentierte mit dem Geschwindigkeitsregler. 40 Ampere brauchte
der Motor bei Vollgas, die Batterie hatte eine Kapazität von 100 Ah,
also wären rechnerisch zweieinhalb Stunden volle Fahrt drin. Bei
fünfzig Prozent Gas wurde das Boot zwar eine Spur langsamer, aber
der Motor zog bloß noch vier Ampere, während die Solarzellen sieben
Ampere lieferten. Ich fuhr etwa einen Kilometer am Ufer entlang, um
schnell irgendwo anlegen zu können, falls etwas schief ging. Ein
paar Stunden später fiel mir ein, dass das Anlegen so seine
Schwierigkeiten gehabt hätte – alle Leinen waren am Liegeplatz,
womit hätte ich das Boot befestigen sollen?
Den Rückweg
nahm ich tapfer mitten durch den See und kam wohlbehalten wieder am
Ufer an. Das Anlegen war total einfach, ich fuhr langsam schräg auf
das Ufer zu und ließ das Heck vom Wind an Land treiben. Aussteigen,
festmachen und gejubelt – die erste Fahrt hatte ich schon mal
überlebt. Leichte Sorgen machte ich mir, ob ich auch den richtigen
Weg genommen hatte. Mitten durch den See ziehen sich einige rote
Tonnen. Fahrwasserbegrenzung bedeutete das, aber war das links oder
rechts? In Fließrichtung oder dagegen? So schnell vergaß man den
theoretischen Unterricht. Außerdem hat dieser See keine erkennbare
Fließrichtung.
nächstes Kapitel >>>