Die nächsten vier Tage widmete ich dem Thema "Kühlschrank". Diese
Campingkühlboxen hatten sich ja letztes Jahr schon nicht bewährt.
Zuviel Stromverbrauch für viel zu wenig Kühlleistung. Ein richtig
professioneller Bordkühlschrank würde gute 500 Euros oder mehr
kosten, den wollte ich mir nicht leisten. Im Internet hatte ich aber
einen Bericht über Lebensmittelmärkte in Afrika gelesen. Dort hatte
jemand das
Topf-im-Topf System erfunden. Ein kleiner Tontopf in
einem größeren, dazwischen eine Schicht Sand, die man feucht halten
musste. Durch Wind und Sonne wird Verdunstungskälte erzeugt, die den
Inhalt des inneren Topfes angeblich frisch hält. Dieses System klang
gut und ich wollte es unbedingt ausprobieren.
Vier stressfreie Tage
waren angesagt, in denen ich auf dem Liegestuhl sonnenbadete und
jede Stunde von den Thermometern Außen- und Innentemperatur ablas
und fein säuberlich notierte. Es wurden auch verschiedene
Kühlschrankpositionen ausprobiert: In der Sonne, im Schatten mit
Wind, im Schatten ohne Wind. Richtig wissenschaftlich ging ich das
an. Das Ergebnis: Egal was ich probierte, die Temperatur im inneren
Topf lag höchstens vier Grad unter der Außentemperatur (im
Schatten). Von Kühlschrank konnte man hier nicht so richtig
sprechen, die Enttäuschung war groß, ich stellte das Ding in eine
Ecke und vergaß es. Als ich zwei Monate später das Schiff für die
Überwinterung ausräumte, entdeckte ich im "Kühlschrank" zwei
Zitronen, die ich wohl drin vergessen hatte. Sie waren wie neu, in keinster Weise angeschimmelt oder sonstwie verdorben. Vielleicht
hatte das System doch noch ungeahnte Qualitäten, vielleicht lag es
aber auch daran, dass warme Tage den ganzen Sommer über dünn gesäät
waren.
An einem dieser warmen Tage, am 16. Juli 2005, fuhren wir zur
Badestelle Oberspree. Die hatte ich neulich entdeckt, obwohl sie auf
dem Weg nach Köpenick liegt und ich schon viele Male dran
vorbeigefahren war. Dort geht es ungefähr 100 Meter weit ziemlich
seicht in die Spree, man bleibt beim Baden von Schiffen verschont
und es herrscht relativ wenig Betrieb. Mit dem Schwimmding und
seinen fünfzehn Zentimetern Tiefgang konnten wir im Gegensatz zu den
anderen Schiffen allerdings bis ans Ufer fahren, es uns dort
gemütlich machen und problemlos zu Badeausflügen ins Wasser steigen.
Der Himmel war klar, während wir uns im Radio Ankündigungen über
schwere Gewitter anhörten. Sicherheitshalber machten wir uns
nachmittags auf den Rückweg, erreichten problemlos den Steg, saßen
in der Hitze dumm rum und bekamen wieder Sehnsucht nach der
Badestelle. Mit dem Schiff traute ich mich nicht mehr zu fahren, die
Gewitterwarnungen hörten nicht auf, während immer noch keine Wolke
zu sehen war. Aber wozu hatten wir eigentlich ein Auto? Nach fünf
Minuten Fahrt waren wir wieder an der Badestelle. Schon ein
komisches Gefühl, mit dem Schiff dauerte die Fahrt fast eine Stunde.
Allmählich kamen dann doch einige Wolken auf und ich nervte meine
Freundin damit, dass wir jetzt ganz schnell zum Schiff fahren
müssten, im Gegensatz zu ihr genoss ich es nämlich, geschützt im
Zelt zu sitzen, während links und rechts die Blitze am Himmel ihr
Schauspiel entfalteten und der Regen auf das Dach prasselte. Natur
pur. Allerdings bekam ich die Natur purer, als ich sie haben wollte.
Keine zehn Sekunden an Bord gab es einen unheimlichen Krach, es
wurde furchtbar hell, mein Herz blieb stehen und etwas streifte mich
am Kopf. Ich wusste erst garnicht was los war, so etwas hatte ich
noch nie erlebt. Rauchschwaden stiegen vor mir auf und mein erster
Gedanke war: der Benzintank ist explodiert.
"Du hast überhaupt keinen Benzintank", machte ich mir klar und
schaute nach meiner Freundin, die im Zelt gewesen war und mir
verstört entgegenblickte. Die Spreeteufel winkten aufgeregt von
ihrem Vereinshaus herüber und waren sichtlich erleichtert, dass wir
noch lebten.
Ein Blitz hatte eingeschlagen. Ungefähr einen Meter neben mir
hatte er dicke Brocken Beton aus dem Steg gesprengt. Mit halbtauben
und pfeifenden Ohren hörte ich mir die Schilderung der Spreeteufel
an, die sich garnicht mehr beruhigen konnten.
Ein Jahrhundertereignis.
Der Blitz hatte sich an rein garnichts gehalten, was man über
Blitze so in der Schule gelernt hatte. Von wegen höchste Stelle, von
wegen Bäume sind gefährlich. Die Bäume zehn Meter neben dem Steg
hatten den Blitz in keinster Weise interessiert. Von wegen Metall.
Den Beton der Steganlage hatte er sich ausgesucht. Nicht die Poller
aus Stahl, nicht die Aluumrahmung meiner Solarzellen, nein, Beton
musste es sein.
Bis auf eine Kleinigkeit war dem Schiff seltsamerweise nichts
passiert. Die Kleinigkeit war der Solarregler, der wohl irgendwie
eine Überspannung oder einen Blitzschock abbekommen hatte und seinen
Geist aufgab. Da war nichts mehr zu machen: ohne Solarregler kein
Strom in den Batterien, kein Rumfahren, kein Tee, kein Licht, so
einfach war das und ich musste das Teil zur Reparatur einschicken.
Zehn Tage dauerte sie, zehn Tage, in denen zum Glück ein
ausgedehntes Tief mit viel Regen und Kälte den Sommer vertrieb und
man sowieso nicht auf dem Schiff sein wollte.