Anfang Juni verwandelte ich das Schiff, das jetzt "Schwimmding"
hieß in einen Schrebergarten. Tomaten wurden angebaut, Paprika,
Schnittlauch, Sonnenblumen, Minze, Basilikum, Petersilie, Erdbeeren
und Blumen. Wobei es sich später aber als nicht besonders schlau
erwies, das ganze Gemüse ständig an Bord spazieren zu fahren. Es
nahm eigentlich nur Platz weg, und ich stellte die Töpfe auf die
Steganlage. Dort konnte man sich schließlich den Schnittlauch auch
holen.
Und schon kam die nächste Schlechtwetterperiode, die für die
nächsten zwei Wochen für Regen und Kälte sorgte, aber am 15. Juni
beschloss ich, jetzt offiziell auf dem Schiff zu wohnen, Wetter hin,
Wetter her.
"Was tut man eigentlich den ganzen Tag auf so einem Schiff, außer
darauf zu warten, dass es dunkel wird und man ins Bett gehen kann?"
hatte meine Freundin mich mal gefragt. Hatte die eine Ahnung. Es
gibt auch bei schlechtem Wetter immer etwas zu tun.
Zum Beispiel einen Batterie-Umschalter installieren. Macht
während der Fahrt eine Batterie schlapp, schaltet man einfach auf
die andere um.
Zum Beispiel die Schrauben aussortieren, die man nach der
Bauphase nie wieder brauchen würde. Wieso überflüssiges Gewicht
durch die Gegend fahren? Die letzten zwei Streben vom Geländer
bauen, die man seit Wochen verschoben hat. Positionslampe und
Toplicht installieren, das Geländer streichen, erforschen warum
ständig die Sicherung rausfliegt wenn man auf die Hupe drückt, die
Arbeit hört schon nicht auf.
Man könnte auch den Eimer mit sechs Flaschen Bier wieder an Bord
holen, den man zu Kühlungszwecken in der Spree versenkt hat.
Dummerweise riss beim Raufziehen das schon etwas modrige Seil, Eimer
und Bier verabschiedeten sich auf den Grund. Etwas später schickte
ich auch noch den Rost vom Grill hinterher, als ich diesen einer
Generalreinigung unterzog. Konnte ich beim Bier noch lachen, stimmte
mich das schon etwas nachdenklicher. Ein Grill ohne Rost auf den man
das Fleisch legen kann, ist kein guter Grill.
Ende Juni bekam ich Besuch von einer Bekannten, die mal sehen
wollte, wie es auf einem Schiff so zugeht. Zum Begrüßungstee
verwickelte sie mich aber beileibe nicht in ein Gespräch über Boote
oder Wellen oder die unendliche Freiheit auf dem Meer, sondern in
eines über Frauenbeschneidung in Afrika und hielt mir vor, dass das
Patriarchat - damit also ich - an allem Schuld sei. Nun, ich mochte
Frauenbeschneidung in Afrika auch nicht besonders gerne und gab zu
bedenken, dass die Beschneidung - nach allem was ich mir so aus
Zeitschriften angelesen hatte - nicht von Männern vorgenommen wird,
sondern von den Großmüttern der armen Mädchen. Ich sah auch nicht
ein, wie unser Gespräch afrikanischen Mädchen großartig helfen
konnte und empfahl ihr die entsprechende Initiative des Abenteurers
Rüdiger Nehberg, der da auch dagegen ist, aber anstatt nur
rumzuplappern großartige Initiativen unternimmt. Der könnten wir uns
anschließen, praktische Arbeit leisten und dagegen kämpfen. Von mir
aus sofort. Man muss ja nicht unbedingt auf Schwimmdingern rumsitzen.
Das war ihr aber dann doch zu anstrengend oder zu realistisch und
sie schlug eine kleine Ausfahrt vor, die mir deutlich vor Augen
hielt, was ich beim Bau alles nicht überlegt hatte.
Isolde dachte nicht im Traum daran, sich beim Ablegemanöver
nützlich zu machen. Statt dessen wurde irgendeine lebenswichtige
Creme im Gesicht verteilt und sie beschwerte sich, dass bei dem
Wellengang ihr Gesicht so schlecht im Handspiegel zu zentrieren war.
Sorry, daran hatte ich nicht gedacht.
Eigentlich war es ein schöner Sommertag, wie geschaffen zum
Schwimmen oder Sonnenbaden, aber Isolde wollte ihn lieber am Ufer
festgemacht im Schatten unter Bäumen verbringen. Sehr gut für ein
Solarschiff mit Elektroantrieb, bei dem man sich entscheiden muss,
ob man jetzt lieber 20 Minuten fährt oder sich mit dem gleichen
Stromverbrauch Wasser für eine Tasse Tee im Elektrokocher heiss
macht. Und Tee trank sie sehr viel, einen nach dem anderen.
Trotz Schatten brauchte sie dringend eine Sonnenschutzcreme und
ich tümpelte zum nahegelegenen Supermarkt mit Bootsanlegestelle.
Dort angekommen musste ich alleine festmachen und auch alleine
einkaufen, Isolde hatte es sich währenddessen auf der Decksliege
gemütlich gemacht und verschlief die ganze Aktion.
Wieder wach, wollte sie sich waschen. Angewärmtes Spreewasser war
leider alles, was ich zu bieten hatte. Das reichte ihr aber nicht,
sie wollte eine Dusche mit Massagekopf. Ich erklärte ihr wie ein
Waschlappen funktioniert und dass sie auf einer Millionärsluxusyacht
eventuell besser aufgehoben wäre, als auch schon Regen aufkam und
Isolde in panische Angst verfiel. Und zwar aus Sorge, ihre Frisur
könnte von einem Regentropfen beschädigt werden.
"Hier kann man ja nicht mal einen Föhn anschließen", beschwerte
sie sich. "Mein Pony muss nämlich so hingeföhnt werden, dass er
aussieht als wäre er wie vom Winde verweht".
Das sah ich ein und machte mich an die Rückfahrt zum Steg, in der
Hoffnung, dass der immer stärker werdende Wind ihren Pony in die
richtige Form wehen würde. Von Wehen konnte aber bald nicht mehr die
Rede sein, der Wind verstärkte sich in Richtung Sturm und mit
letzter Kraft erreichten wir die Steganlage.
Ich war froh, überhaupt irgendeinen Poller zu erreichen, wenn es
auch nicht der richtige war, sondern der erstbeste. Isolde stand
etwas ratlos im Weg und passte auf ihre Frisur auf, während ich
Bernd, dem Spreeteufel, der unsere Notlage erkannt hatte und helfend
bereitstand, ein Seil zuwarf, mit dem er uns zum Steg zog und beim
Festmachen half.
Erstmal waren wir in Sicherheit und zehn Minuten später nützte
ich eine Flaute, um die zwanzig Meter zum eigentlichen Liegeplatz zu
fahren. Kaum angekommen, wurde der Wind schon wieder zum Sturm und
wir mussten uns in das Zelt verkriechen, begleitet von Isoldes
Kommentaren, ob man auf einem Schiff bei Regen nichts anderes tun
könne als im Zelt zu sitzen. Aber was hatte sie gemacht als es nicht
regnete und die Sonne schien? Unter dem Sonnenschirm verkrochen,
damit der Teint nicht leidete oder sie keinen Hautkrebs bekam.
Kaum hörte der Regen auf, flüchtete sie entsetzt vom Schiff,
stieg in ihr 100 Meter entfernt stehendes Auto und brauste davon.
Naja, nicht jeder scheint das Bordleben zu vertragen.
Apropos Tee, die Herstellung von heissem Wasser gehört zu den
energieaufwendigsten Angelegenheiten an Bord. Zuhause gießen Sie
etwas Wasser in den Kocher, drücken auf einen Knopf, warten eine
Minute und schon haben Sie Ihren Tee. Den Nebeneffekt an diesem
Luxus merken Sie höchstens an Ihrer Stromrechnung. Mit einem
handelsüblichen 12-Volt Wasserkocher für den Bordbetrieb muss man
dagegen 20 Minuten für eine Tasse heisses Wasser einplanen. Während
dieser Zeit belastet der Kocher die Bordbatterie mit 15 Ampere. Nach
drei Tassen Tee haben Sie 15 Amperestunden verbraucht, mit einer
vollen 100-Ah-Batterie schaffen Sie also ungefähr 20 Tassen. Das ist
nicht viel, abgesehen davon, dass das Erhitzen der für 20 Tassen
benötigten Wassermenge zusammengerechnet ungefähr sechseinhalb
Stunden dauert. Das ist zwar sehr umweltfreundlich, aber höchst
unrentabel. Mit einem Gas- oder Spirituskocher ist man besser
bedient, für diese braucht man aber einen windgeschützen Platz zum
Aufstellen.