Schwimmding.de
Es wird weitergebastelt: Das Schwimmding

zur Startseite

<<< vorheriges Kapitel    1  2  3  4  5  6  7  8  9 10  11  nächstes Kapitel >>>
 

"Hallo, hier ist der Wolfgang vom Steg", tönte mir die tiefe Stimme aus meinem Anrufbeantworter entgegen. "Dein Schiff ist leck und säuft bald ab, die Ratten schleppen schon das Holz auf den Steg, die Lebensmittel sowieso. Also komm mal her und räum das alles ab."

Ich war zutiefst erschrocken. Mein armes Schiff !!! Wieso sollte es auf einmal absaufen? Es hatte doch sechs unabhängige Schwimmer. Können Ratten glasfaserverstärktes Sperrholz durchbeißen?

Voller Sorge unterbrach ich meinen Landurlaub und radelte zum Schiff. Gut, ich hatte es zehn Tage alleine gelassen, aber ist das ein Grund, gleich abzusaufen? Mit gemischten Gefühlen radelte ich durch Berlin, plante schon eventuelle Bergungsaktionen und war heilfroh, als ich das Schwimmding ruhig und gelassen wie immer am Steg liegen sah. Von wegen absaufen! Das war wohl ein äußerst derber Spreeteufelscherz gewesen und ich schwor mir, Wolfgang nie wieder die Hand zu schütteln.

Aber die Ratten waren beileibe kein Witz gewesen. Das Deck war übersäät mit Eierschalen, angeknabberten Kartoffeln und zerfransten Teebeuteln. Die Biester hatten es irgendwie geschafft, die Lebensmittelkiste zu öffnen, alles Wohlschmeckende aufzufuttern und die Reste auf dem Boden zu verteilen. Sogar die Tüte mit Apfelsaft hatten sie aufgebissen und vollgekackt hatten sie auch alles. Fluchend machte ich mich an die Putzaktion.

Anschließend war schon wieder wochenlang Schlechtwetterpause. 17 Grad verkündete die Wettervorhersage und das Wetter hielt sich auch daran. 17 Grad im August in Berlin, von wegen Treibhauseffekt. Eigentlich sollte jetzt die Hochsaison beginnen, statt dessen machte ich mich daran, die angesammelten Bücher an Bord einzupacken und mit nach Hause zu nehmen. Bei diesem ewigen nasskaltem Wetter würden sie nur verschimmeln.

Am 21. August wurde es endlich wieder warm, ich machte mir einen schönen Plan für meine diesjährige größere Schiffsreise, den ich am nächsten Tag sofort wieder zu den Akten legen konnte. Wind kam auf, viel zuviel, um mit meinem Boot irgendwo hinfahren zu können, und dieser Wind hörte bis zum Ende der Saison auch nicht wieder auf. Den Rest dieses sogenannten Sommers benützte ich das Schiff eigentlich mehr als so eine Art schwimmende Gartenlaube zu der man bei erträglichem Wetter ab und zu zum Grillen hinfährt. Das war zwar auch etwas Schönes, aber natürlich weit entfernt von der Abenteuerreise im letzten Jahr. Ich kam mir vor wie ein Schrebergärtner, der seine alten Tage mit Ruhe und Warten auf den Tod genießt. Eigentlich überhaupt nicht mein Lebensstil, aber ausprobieren konnte man das ja mal.

Am neunten September wurde es nochmal interessant. Ich fuhr an einem seltsamerweise relativ windfreien Tag mit einer Bekannten zum Einkaufen Richtung Supermarkt, als nach etwa 300 Metern trotz voller Batterien der Motor stehenblieb. Nichts ging mehr, weder vorwärts noch rückwärts. Manövrierunfähig trieben wir auf der Spree. Da half nur eins: die Paddel des Schlauchbootes aus der Kiste geholt und ab zum Ufer. Sehr träge ging es voran. Ein freundlicher Bootsfahrer nahm uns in Schlepp und brachte uns zum Liegeplatz zurück, wo ich ratlos einige Zeit den Motor anstarrte und am Gashebel drehte. Nichts. Nach zwei Stunden lief er allerdings wieder, ohne dass ich etwas gemacht hätte. Sehr seltsam.

Ende September begann ich, gemütlich das Schiff auszuräumen und winterfest zu machen. Ich wollte es den Winter über im Wasser lassen und einmal testen, was meine Sperrholzschwimmer dazu meinten. Vorsichtshalber räumte ich auch die Batterien aus den Schwimmern, deren Inneres ich jetzt zum erstenmal seit April wieder sah. Ich war gespannt, ob sich da Wasser angesammelt hätte, aber es war alles trocken.

Die letzte Aufgabe war, das Schiff von seinem jetzigen Stegplatz am Rand der Anlage zu einem geschützterem Platz zwischen Steganlage und Ufer umzusetzen. Sollte die Spree vereisen und eventuelle Eisbrecher Platten in Richtung Steg schieben, so würden diese nicht das Schiff direkt treffen, sondern erst einmal von den Pfosten der Anlage in handliche Teile zerlegt werden. Mit dem Umsetzen des Schiffes ließ ich mir Zeit bis zum 21. November, ausnahmsweise mal ein sonniger Tag, wenn auch mit viel Wind, was mir aber egal war, er würde mich in die richtige Richtung wehen. Es waren sowieso bloß zwanzig Meter Fahrt. Harmlos, dachte ich. War aber nicht so, bereits nach zehn Metern blieb der Motor schon wieder stehen und ich schaute dumm in die Gegend. Viel passieren konnte nicht, links und voraus war der Steg, rechts das befestigte Ufer, alles bloß ein paar Meter entfernt, und der Wind schob mich von hinten an. Von einer richtigen Seenot konnte man nicht sprechen, aber ärgerlich war das schon. Mit einer Leine sprang ich auf den Steg als mich der Wind nahe genug hin geblasen hatte, zog das Schiff in die richtige Position und machte es fest.

Nachdem ich Batterien und Motor im Vereinshaus verstaut und den Boden mit Planen abgedeckt hatte, verabschiedete ich mich etwas wehmütig von meinem Schwimmding und machte mich auf den Heimweg.