Kreuzberg besteht aus zwei
Teilen, benannt nach den alten Postzustellbezirken, SO36
und SW61 (Südost und Südwest).
61 ist das „brave“ Kreuzberg, das nördlich der Hochbahn
U1 gelegene SO36 dagegen das „böse“. Das „Böse“ kommt
daher, dass dieser Teil Kreuzbergs früher an drei Seiten
von der Mauer eingeschlossen war und sich durch
verfallene Häuser und billige Mieten auszeichnete. Das
führte dazu, dass sich hier hauptsächlich türkische
Familien und Hippies ansiedelten und die „anständigen
Normalbürger“ sich von hier fern hielten.
Oranienplatz, Heinrichplatz und Mariannenplatz waren
Hochburgen der autonomen Szene, die als Höhepunkt ihre
jährlichen Demonstrationen zum ersten Mai zelebrierte.
Straßenschlachten mit der Polizei und brennende Autos
waren Normalzustand. Autos wurden ohne Rücksicht auf den
Unterschied zwischen Nobelkarossen oder Trabbis
misshandelt oder angefackelt. Das hat sich heutzutage
zum Glück gebessert, die örtlichen Geschäftsinhaber
hatten keine Lust mehr auf einmal pro Jahr
eingeschlagene Fensterscheiben und veranstalten jetzt
das „My-Fest“, eine riesige Straßenparty, die sich über
mehrere Straßenzüge erstreckt und größtenteils friedlich
abläuft. Liegt wohl auch daran, dass die Autonomen
inzwischen in die Jahre kommen. Außerdem steht alle paar
Meter eine Bühne mit irgendeiner Band quer über die
Straße, das behindert eventuelle Chaotenrennen ganz
schön.
Wie in Kreuzberg nicht anders zu erwarten, richten sich
die Demos in der Regel gegen Ausländerfeindlichkeit,
gegen die NPD, und gegen rechte Bestrebungen überhaupt.
„Rechts sein“ ist in Kreuzberg so überhaupt nicht
angesagt, und es gibt jede Menge Menschen und
Institutionen, die dagegen aufmupfen. Nicht nur der
Kreuzberger Volkspolitiker Hans-Christian Ströbele
sondern sogar eigentlich völlig unpolitische
Organisationen, wie z.B. die Mitfahrerzentrale
BlaBlaCar engagieren sich. Höhepunkt in letzter Zeit
war die bundesweit bekannt gewordene Dauerdemo von
Flüchtlingen und Einheimischen am Oranienplatz, die dort
in einer kleinen Zeltstadt auch bei ungemütlichen
Novembertemperaturen ausharrten. Das war zwar keine Demo
gegen Rechts, sondern gegen die Flüchtlingspolitik der
Bundesregierung, aber die Kreuzberger sind ja für viele
Ziele offen.
Nach oben hin offen sind inzwischen auch die
Kreuzberger Mieten, der frühere Mauer-Bezirk ist schon
ein gutes Stück vorangekommen, auf seinem Weg zum
Schicki-Micki-Bezirk. Eigentlich ist er schon auf den
letzten Metern zum Ziel. Eine Wohnung in der
Bergmannstraße oder ein Sack voll Diamanten kosten in
etwa das Gleiche.
Am Schlesischen Tor (U1) ist
man zwar geographisch am Rand, kulturell gesehen aber im
Herzen von SO 36. Das Kreuzberg der 60er
und 70er Jahre, der Schmelztiegel aus Türken und jungen
Deutschen, hier kann man es noch relativ authentisch
erleben.
Also,
konnte man mal erleben. Heutzutage kommen ja jede Menge
Touris hierher, eben um das das Kreuzberg der 60er und
70er Jahre authentisch zu erleben. Die Berliner Zeitung
behauptet sogar, dass hier ab 22 Uhr nur noch englisch
gesprochen wird.
Wenig Schicki-Micki, die Häuser nur zaghaft
renoviert - also höchstens geheime Dachgärten, die man
von der Straße aus nicht sieht, Bioläden, Trödler, Fahrradhändler, jede Menge
Kneipen und Kids, die auf der Straße Fußball spielen.
Vor allem die Falckensteinstraße mit ihrer Kult-Eisdiele
und die Wrangelstraße sind einen Besuch wert. Früher war
das mal eine Hochburg türkischer Jugendbanden, heute ist
das mehr so "tourismusoptimiert". Verstrahlt aber immer
noch dieses "Kreuzberg 36-Gefühl".
Man ist
auch gleich bei Berlins schönster, der Oberbaumbrücke,
und vom Gröbenufer - inzwischen umbenannt in
May-Ayim-Ufer - aus hat man eine gute Fernsicht auf
das Treiben am Friedrichshainer Spreeufer. Etwa 500
Meter weit die Schlesische Straße runter landet man am
Flutgraben, der mit Wasserkneipen zugebaut ist.
Görli, Görli...
So wurde die Gegend um den Görlitzer Bahnhof (U1) im
Sommer 2003 von PR Kantate besungen.
Mehr „echtes“ Kreuzberg als hier gibt es nicht. Will man
den Stadtteil kennenlernen, dann sollte man mal ein paar
Stunden einplanen und hier durch die Gegend wandern.
Zum Lausitzer Platz mit seinem beliebten Wochenmarkt, in
die Wiener Straße und zum Spreewaldplatz, zum alten
Görlitzer Güterbahnhof, an dem die hohe Kunst des
Treppensitzens geübt wird, und in den Görlitzer Park.
Vor allem am Wochenende ist der bei schönem Wetter gut
gefüllt mit türkischen Großfamilien. Gegrillt wird
sowieso was das Zeug hält, und nicht selten sieht man
einen kompletten Hammel am Spieß über einem Lagerfeuer
bruzzeln.
Als Zeichen der deutsch-türkischen Freundschaft ließ der
Bezirk hier einen Nachbau des türkischen
Pammukkale-Brunnens errichten. Leider ließ der
zuständige Künstler den dazu nötigen Sandstein aus
Portugal importieren. Da gibt es keine strengen Winter,
in Berlin aber manchmal schon und das ist der Stein
nicht gewöhnt, also bröckelt der Bau vor sich hin und
ist inzwischen schon ganz schön verfallen. Geld zum
Renovieren ist keins da.
Wer gut zu Fuß ist, sollte die Manteuffelstraße runter
bis zum Landwehrkanal laufen und dort am
Paul-Lincke-Ufer rumspazieren, das hat was.
Die sich gut in orientalischer Hand befindliche
Oranienstraße sollte man sich auch nicht entgehen
lassen.
Das Kottbusser
Tor hat in Berlin einen schlechten Ruf. Das kommt von
der Abteilung Penner & Fixer, wobei man unter den
Pennern und Fixern allerdings keine türkischstämmigen
Mitbürger sieht. Die verkaufen stattdessen lieber
Gemüse, betreiben Bäckereien oder Teppichläden und bruzzeln das Berliner Nationalgericht, den Döner.
Inzwischen auch „Türkische Currywürste“ aus
Rindfleisch. Und zweimal pro Woche veranstalten sie
Kreuzbergs größten Basar, der zwar als Kreuzberger Markt
eingestuft wird, aber eigentlich am Maybachufer im
Stadtteil Neukölln stattfindet.
Woher der Name Kottbusser Tor kommt, weiß niemand. Eine
Stadt namens Kottbuss gibt es nicht. Es gibt eine
Stadt, die "Cottbus"
heißt, in Brandenburg,
aber nach der wurde hoffentlich die U5-Station
"Cottbusser Platz" in Hellersdorf benannt.
Mit dem liebevollen
Spitznamen „Kotti“ ist übrigens nicht das Kottbusser Tor
gemeint, sondern der Kottbusser Damm. Sagen die einen.
Die anderen halten das genau umgekehrt für richtig.
Auf der Kottbusser Brücke ist täglich inoffizieller
Gebrauchtwagenmarkt.
Das
Kottbusser Tor ist ein guter Ausgangspunkt für eine
Wanderung durch den türkischen Teil Kreuzbergs, die
Kreuzung Adalbertstraße und Oranienstraße ist da das
Zentrum.
Die U8 fährt hier unterirdisch, die U1 oben im ersten
Stock, und hier gibt es die zweitlängste Rolltreppe
unter den Berliner U-Bahn Stationen. Die längste ist am
Bahnhof Gesundbrunnen.
Man
ist auch schnell am Landwehrkanal, Kreuzbergs
Naherholungszentrum mit Kneipen und großer Liegewiese am
Urbanhafen.
Einkaufsmeile für beide
Kreuzbergs ist der Kottbusser Damm zwischen den
U8-Stationen Schönleinstraße und Hermannplatz. Der Damm
ist auch die Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln. Aus
Norden kommend gehört alles auf der rechten Seite zu
Kreuzberg.
Direkt
vor dem Karstadt am Hermannplatz fiel im zweiten
Weltkrieg die erste Bombe auf Berlin.
Im Graefekiez gerät
man sofort in Urlaubsstimmung. Zahlreiche Kneipen und
der Landwehrkanal mit seinen Liegewiesen und
Restaurantschiffen sorgen für eine unbeschwerte
Stimmung.
Zum Kiez gehören
hauptsächlich Graefestraße, Grimmstraße und die Dieffenbachstraße. Die nächstgelegenen
U-Bahn-Stationen sind Schönleinstraße und Kottbusser
Tor.
Besonderen Spass macht eine
Blinddarmentzündung im Urban-Krankenhaus am
Landwehrkanal, erklärt der Berliner Geschichtenerzähler
Horst Evers.
Still
und heimlich, und vor allem ganz langsam entwickeln
sich der Südstern und die Körtestraße zum
neuen Szeneviertel.
In Berlin gibt es den Kurfürstendamm
und die Friedrichstraße,
die beide einen Ruf als exklusive Shoppingmeilen haben.
Die "politisch korrekte Antwort" darauf befindet sich im
Stadtteil Kreuzberg und heißt Bergmannstraße.
Hier gibt es keine Lagerfelds, Cartiers, Karstadts und
Lafayettes, hier gibt es viele kleine Läden,
interessante Hinterhöfe und jede Menge Kneipen und
Cafes.
Die nächstgelegene
U-Bahn ist die U7, Gneisenaustraße.
Wenn man den
Straßenbummel am falschen Ende beginnt (beim U-Bahnhof
Südstern), muss man allerdings erst einen halben
Kilometer weit an Friedhöfen und Grabsteinhändlern
vorbeilaufen.
Ansonsten eine eher normale
Wohngegend mit Kirche, wird der Blücherplatz einmal im
Jahr zum Mittelpunkt der Welt. Zu Pfingsten, zum
Karneval der Kulturen wird hier
alles abgesperrt und das Massenspektakel nimmt seinen
Lauf. Wer also auf stundenlanges Dauergetrommel steht,
der muss unbedingt hierher.
Der Umzug geht vom
Hermannplatz aus über den Südstern bis zum
Mehringdamm.
Da ein Berg in
der Berliner Innenstadt etwas sehr seltenes ist,
qualifiziert sich der Kreuzberg automatisch
als Sehenswürdigkeit. Man sollte das Wort "Berg"
aber nicht zu ernst nehmen. Der Hügel ist gerade mal
67 Meter hoch.
Im Sommer ist
meistens der künstliche Wasserfall eingeschaltet,
der es ziemlich gefährlich macht, den Kreuzberg auf
den Steinen empor zu klettern, da muss man sich dann
schon an die Wanderwege halten. Von oben hat man
eine gute Aussicht über Berlin.
Silvester ist
hier die Hölle los. Man kommt sich vor wie im
zweiten Weltkrieg, wenn man inmitten der ganzen
Leute steht, die ihre Knaller und Raketen loslassen.
Den Berg findet man
an der Kreuzung Großbeerenstraße und
Kreuzbergstraße. Zu Fuß braucht man von der U-Bahn
Station Mehringdamm (U6/U7) ungefähr 10 Minuten.
Die Ruine des Anhalter
Bahnhofes, bzw. die Fassade, die davon übrig geblieben
ist, wurde aufwendig saniert und ist heute ein beliebtes
Fotografierobjekt. Es gibt auch einen Fußballplatz, wo
man den Spielen gratis zuschauen kann, und man ist
gleich am Tempodrom, der optisch am eigenwilligsten
Konzerthalle Berlins. Das Tempodrom war früher ein Zelt
auf einer Wiese nahe beim Bundestag bis die
Politiker auf den Gedanken kamen, dass es nicht gut
ist, wenn in ihrer Nähe Popkonzerte stattfinden.
In einer skandalträchtigen
Aktion wurde das Zelt abgeschafft und mit
Millionenaufwand in Beton hier am Anhalter Bahnhof
nachempfunden. Anschließend wurde am Bundestag ein
neues Zelt aufgestellt, in dem oft Popkonzerte
stattfinden, das "Tipi". Selbstverständlich ist für diesen Unsinn
niemand verantwortlich.