Bekannt war Moabit in Berlin schon immer. Also eher
berüchtigt. In diesem traditionellen Arbeiterbezirk hieß
es "schichteln oder einsitzen". Und zwar im größten
Knast von Berlin. Und dann haben sie ausgerechnet in
dieses Viertel den neuen ultramodernen Hauptbahnhof
hingestellt. Das war das aus für den Bahnhof Zoo.
Zum Glück laufen die Touris aber alle sofort
über die Spree nach Tiergarten zum Reichstag. In
Richtung Moabit geht so gut wie keiner, der
Bezirk hat noch viel von seinem ursprünglichen Charakter
behalten.
An einem stirbt man in
Moabit garantiert nicht: An Gemüsemangel. In der
Turmstraße (zwischen U-Bahn Turmstraße und
Beusselstraße) gibt es einen türkischen Händler nach dem
anderen, natürlich auch Läden ohne Gemüse und viele
Kneipen, Bars und Bistros. Hier tobt das Leben.
Nimmt
man den südlichen Ausgang der U-Bahn Turmstraße, landet man
in einem kleinen Park. "Tiergarten" heisst der
großspurig, nicht zu verwechseln mit dem Bezirk
Tiergarten oder dem Zoo. Der Park hier ist eine
Fixer-Hochburg, und da stehen auch keine
Zigarettenautomaten, sondern welche für
Spritzbesteck. Er dient auch als Jugendzentrum für
betrunkene Männer, also eher eine unangenehme Gegend.
Damit es
die Fixer im Ernstfall nicht soweit haben, wurde
hier auch gleich das größte Berliner Gefängnis hingebaut. Und damit sie da erst garnicht rein
müssen, oder schneller wieder in den Park
dürfen, haben sich rundum lauter Anwälte für
Strafrecht angesiedelt. Der Knast nimmt aber auch
Verbrecher auf, die mit Rauschgift nichts zu tun
haben.
Die Romantik-Abteilung gibt es an der Spree. Man
kann da auf ner Bank sitzen, den Schiffen zuschauen und
davon träumen, am anderen Ufer zu sein.
Um Berlin wirklich
kennenzulernen, muss man alle Bücher und CDs von Horst
Evers haben.
Das Birkenstraßenviertel. Da versuchen
die Moabiter, mit Staßencafes und kleinen Läden sowas wie ein
Kietzgefühl aufkommen zu lassen. Ist noch in
Bearbeitung, aber ansatzweise schon ganz gut. Man
merkt halt, dass das an der Grenze zum Wedding
liegt, wo sie in dieser Richtung schon wesentlich
weiter sind. Da schwappen Einflüsse rüber.
Wesentlich unromantischer wieder wird es in der
Beusselstraße. Da gibt es eigentlich nur zwei Dinge:
Die S-Bahnstation und den Großmarkt.
Die S-Bahn Station dient hauptsächlich dazu, den
Berliner Fahrraddieben das Leben zu erleichtern. Man
radelt da in der Früh hin, macht sein Fahrrad oben
am Geländer fest und fährt dann mit der S-Bahn in
die Arbeit. Dann haben die Räuber den ganzen Tag
Zeit, alles abzubauen, was sie brauchen. Also, wer
sein Fahrrad loswerden will, einen besseren Platz
als hier wird er in Berlin kaum finden.
Mit dem Großmarkt hat
der Normalbürger nichts zu tun. Aber ab drei in der
Früh ist hier die Hölle los. Hier erkämpfen sich
alle Berliner Gemüse- und Obsthändler zum
bestmöglichen Preis ihre Ware, die man dann
ordentlich ab acht Uhr beim Türken oder Vietnamesen nebenan findet.
Die stehen schon verdammt früh auf, die Jungs, das
muss man Ihnen lassen.
Und dann haben sie alles kaputt gemacht und hier
einen Hauptbahnhof aufgestellt.
Früher war das mal die S-Bahn Station "Lehrter Bahnhof".
Wegen der Umbenennung gab es üppige Proteste der örtlichen Bevölkerung,
und am Ende ließ sich der Senat dazu bewegen, den neuen
Bahnhof als "Berlin Hauptbahnhof- Lehrter Bahnhof" zu
bezeichnen. Es wurden erstmal auch entsprechende
Schilder aufgestellt. Die Krawattis verließen sich halt
drauf, dass der Lehrter Bahnhof schon in Vergessenheit
geraten würde. Und da haben sie recht gehabt
damit.
Wohl einzigartig in
Deutschland: Die Lehrter Straße.
Eine Straße, die direkt vom Hauptbahnhof ausgeht.
Überall anders wär das ein Rotlichtbezirk oder
zumindest vollgestopft mit Spielautomatenbuden.
Wie
man hinkommt: U9
Turmstraße, Birkenstraße, U55, S3,5,7,75
Hauptbahnhof, S41/42 Westhafen, Beusselstraße
Welche Bezirke drum rum sind:
Charlottenburg-Nord, Wedding, Mitte, Tiergarten,
Hansaviertel, Charlottenburg